EurActiv – Durch die Brille der anderen
Reden über „die da in Brüssel“ oder „die da oben in Brüssel“ gehören vermutlich in allen EU-Mitgliedsstaaten zum Standardrepertoire von Skeptikern und Unzufriedenen. Ich selbst habe diesen Klassiker des EU-Bashings sogar schon in einer Kleinstadt in Ostpolen gehört („Oni tam w Brukseli“). Die Perspektive umzudrehen und Europa aus den Regionen heraus zu betrachten, ist ein wesentliches Ziel von euractiv.com. Das Nachrichtenportal, das ich für das beste seiner Art halte, hat Länder- und Partnerbüros in 13 europäischen Staaten und berichtet in 12 Sprachen von unten nach oben.
Man braucht auf der Website nur die Über-uns-Rubrik „Euractiv Network“ anzuklicken und bekommt sofort einen lebhaften Eindruck, welche Vielfalt hier Ausdruck findet: България, Česká republika, Deutschland, España … In meiner Arbeit als Osteuropa-Korrespondent sehe ich mir neben der deutschen und der internationalen, englischsprachigen Euractiv-Ausgabe auch regelmäßig die polnische und die tschechische Seite an oder überfliege Schlagzeilen aus Bulgarien und Rumänien. Und jedes Mal wieder bin ich verblüfft, welche Wirkung der Perspektivwechsel hat. Es dauert nicht lange, und ich beginne Europa durch eine östliche Brille zu sehen.
Für alle, die professionell mit der EU befasst sind, ist Euractiv ein äußerst hilfreiches Instrument. Aber auch für alle anderen Nutzer hat das Portal jede Menge spannendes Material zu bieten: Nachrichten, Themendossiers, Meinungstexte, Infografiken und Videos aus nahezu allen europäischen Politikbereichen. Bleibt die Frage nach der Unabhängigkeit des Portals, das der Medienmacher Christophe Leclercq 1999 gegründet hat. Euractiv finanziert sich nach eigenen Angaben durch Unternehmenssponsoring, Werbung und über die Teilnahme an ausgeschriebenen EU-Projekten sowie durch Mitgliedsbeiträge von Verbänden, NGOs oder Parteien, die den Kanal im Gegenzug für ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nutzen können. Das ist grenzwertig, schadet der Qualität der Seite aber nicht.